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Porter / Re-porter: Blake revisited (Ausstellung )

In der Ausstellung Porter/Re-porter, die vom 4. Mai  bis 22. September im Rahmen des „Kubus. Sparda-Kunstpreis“ im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen ist, kombiniert Alexander Roob Materialien aus der Sammlung des Melton Prior Instituts mit eigenen Arbeiten, darunter einen längeren Ausschnitt aus der gleichnamigen CS- Zeichnungsserie, die im Herbst 2002  in London in Kooperation mit der Tageszeitung The Guardian entstanden ist, sowie Auszüge aus der „Theorie des Bildromans“ von 1997.

Die parallelisierten historischen Materialien lenken den Blick zurück auf die Frühzeit kultureller Demokratisierungsprozesse im England des frühen 19. Jahrhunderts sowie auf einige ihrer Exponenten im Milieu des philosophischen Radikalismus und der ersten Arbeiterbewegung. Die assistierende Rolle, die der Kunst heute im Fortgang der Refeudalisierung der Gesellschaft zukommt, mag nicht zuletzt auch in dem Umstand begründet sein, dass diese spannungsvolle sozialrevolutionäre Phase im Konstrukt der Kunstgeschichte nicht präsent ist, dass sich also im Rahmen der Kunst kein historisch zurückreichendes Bewusstsein von komplexen künstlerischen Strategien zur Liberalisierung und Demokratisierung gesellschaftlicher Systeme etabliert hat.

William James Linton / John Thomas Smith

Ausschnitt aus der Präsentation des Linton -Archivs

Zentrales Thema der Ausstellung Porter/Re-porter und des Begleithefts Anti-porter ist die fruchtbare Wechselbeziehung zwischen res publica und res privata im künstlerischen Feld, zwischen gesellschaftlichem Engagement und hermetischer Rückzugsbewegung, populären und kryptischen Darstellungsweisen. Der Ausstellungsparcours führt Werke des stilbildenden Paten politisch-interventionistischer Kunst, des Dichters und Holzstechers William James Linton (1812–1897) mit Grafiken des Erfinders der investigativen Sozialreportage eng, des Kupferstechers und Gegenwartsarchäologen John Thomas Smith (1766–1833).

John Thomas Smith: aus: “Remarks on Rural Scenery”, London  1797

John Thomas Smith: Lady Plomer´s Palace, from: Remarks on Rural Scenery, London  1797

W. J. Linton: Blake´s Cottage at Felpham, London 1863

Die beiden ganz unterschiedlichen gesellschaftsbezogenen Werkansätze verbindet ein produktives, antithetisches Verhältnis zur verschlossenen und in sich gekehrten Kunst des republikanischen Lastenträgerbiertrinkers und Türöffners William Blake (1757–1827). In seiner illuminierten Dichtung Milton, die auch eine entscheidende Rolle in der „Theorie des Bildromans“ spielt, hatte Blake die räumlichen und zeitlichen Konstituenten von Reportage einer eigentümlichen introspektiven Analyse unterzogen; darüber hinaus entwickelte er einen Mythos des Lineaments, in dem er einen metaphysischen Vorrang der Konturlinie über Techniken grafischer Tonalität konstruierte und damit eine Debatte vorbereitete, die Jahrzehnte später zwischen seinem Parteigänger Linton und Vertretern der mikro-pointillistischen nordamerikanischen Fotoxylografie ausgetragen wurde.

Die Publikation Anti-porter nähert sich dieser frühen Mediendebatte über die Hintertür der Exegese eines kolonialkritischen Lehrstücks aus der Feder Lintons. Dieses Dialogstück „Cetewayo and Dean Stanley“ von 1880, das in der Ausstellung eher beiläufig, im Zusammenhang mit einer Vielzahl weiterer Exponate aus dem Linton-Archiv des Melton Prior Instituts, gezeigt wird, kreist – so die These – in einer Tiefenschicht um einen verdrängten künstlerischen und philosophischen Antipoden Blakes, um den Begründer des Utilitarismus Jeremy Bentham. Im Kontext der Auseinandersetzung über grafische Codes besetzt er die extreme antimediale Position selbstidentischer Bilderzeugung. Assoziiert wird sie hier mit den druckgrafischen Destroyed-Folgen des nordamerikanischen Fotoxylografen Henry Wolf, die zwischen 1896 und 1905 entstanden sind, und den verwandten medienreflexiven Holzstichillustrationen Adolph Menzels zur 1877 erschienenen Jubiläumsausgabe von Heinrich von Kleists “Der Zerbrochene Krug”, die auch transatlantisch einflussreich waren.

Henry Wolf: The Evening Star, 1896 (Abzug vom entwerteten Druckstock)

Henry Wolf: The Morning Star , 1903 (handsignierter Abzug vom entwerteten Druckstock)

Adolph Menzel: Illustration für Heinrich von Kleists “Der Zerbrochene Krug “, Berlin 1877 (Detail)

Alexander Roob “Anti-Porter” (Catalogue  Cover), Stuttgart 2013

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Linton- Life in the Collections: Eine Auswahl in sechs Vitrinen

I Die Londoner Jahre (1812-1848)

1a-1) Gotthilf Dierlamm: Die Flugschriftenliteratur der Chartistenbewegung und ihr Widerhall in der öffentlichen Meinung. Leipzig 1909

Der frühe Versuch einer Aufarbeitung literarischer Dokumente der weltweit ersten organisierten Arbeiterbewegung. Erst 1956 erschien in Moskau, herausgegeben von Yuri V. Kovalev, eine erste Anthologie Chartistischer Literatur, die auch etliche Gedichte des Künstlerpoeten William James Linton enthielt.

1a -2 ) Richard Garnett: The Life of W.J. Fox, Public Teacher & Reformer 1786-1864. London 1910

Biografie von Lintons Mentor, des einflussreichen unitarischen Redners und Verlegers William Johnson Fox, der in den frühen 1830er Jahren Zentrum des avantgardistischen literarischen Craven Hill-Kreises war. Fox war der erste Publizist, der in den aufsässigen Stimmen der Arbeiterschaft einen bedeutenden literarischen Impuls erkannte und sie entsprechend protegierte. Er war auch bestens mit nordamerikanischen Unitarierkreisen vernetzt, Kontakte, die für Linton nach seiner Emigration in die USA von großer Bedeutung waren.

1 a- 3) W. J. Linton: James Watson. A Memoir of the Days of the Fight for a Free Press in England and the Agitation for the People’s Charter. Manchester 1880

Lintons Erinnerungen an seinen frühen Verleger und Freund James Watson, der zu den Gründungsmitgliedern der Chartistenbewegung zählte und der im Kampf gegen die Pressezensur weite Strecken seines Lebens im Gefängnis verbrachte.

1 a-4) W. J. Linton (hrsg.): The National, A Library for the People. London 1839

Lintons kurzlebiges radikaldemokratisches Kulturmagazin zählt sowohl in bildnerischer als auch in literarischer Hinsicht zu den brillantesten Zeugnissen der Pressekultur des neunzehnten Jahrhunderts. Es versammelt Pamphlete französischer Jakobiner, Gedichte der englischen Romantik, programmatische Texte des Craven Hill-Kreises sowie politische Parabeln, Traktate und Revolutionslieder aus Lintons eigener Feder.

1a – 5) Colonel W. Reid: An Attempt to Develop the Law of Storms. London. 1838 / 1846

Das Buch enthält die frühsten Beispiele von Lintons ausdrucksstarker Illustrations- und Holzstecherkunst in der Tradition von Thomas Bewicks Weisslinienverfahren.

1b-1) Joseph Mazzini: Italien, Österreich und der Papst. Ein Brief an Sir James Graham. Bern 1847

Giuseppe Mazzini,  der Chefideologe der italienischen Einigungsbewegung und des europäischen Republikanismus, verbrachte viele Jahre im Londoner Exil. Er beschreibt hier den Verlauf einer Brief-Affäre, die der englische Innenminister Graham zu verantworten hatte.  An der Aufdeckung dieses frühen Watergate-Skandals war auch Mazzinis Gefolgsmann Linton beteiligt.

1b-2) John Leech & W.J. Linton: The Anti-Graham Envelope. London 1844 (Reprint: ca. 1890)

Zusammen mit dem Punch – Karikaturisten John Leech reagierte Linton auf die staatliche Verletzung des Briefgeheimnisses durch die Herausgabe eines Briefumschlags, der einen damals geläufigen vorfrankierten Umschlag mit der Rule Britannia – Darstellung in das Bild einer staatlichen Totalüberwachung verkehrte.

1b-3) William James Linton: The Jubilee of Trade. A Vision of the Nineteenth Century after Christ. London 1843 / ca. 1850

In prophetischer Raserei zieht Linton in der Art seines großen dichterischen Vorbilds Shelley gegen die Tyrannei der Märkte und den Geist der Ausbeutung und des Kommerz zu Felde. Der undatierte Druck enthält Emblemataaus dem Bob Thin-Poem von 1845

1b-4) W.J. Linton: Bob-Thin. A Poor Law Tale. London 1845

Die broschierte Version von Lintons populärstem Gedicht über die Auswüchse der Armengesetze wurde von James Watson herausgegeben. Der erste Teil enthält den brillanten Entwurf einer antifeudalen Revision englischer Historie, den frühen Versuch einer Geschichte von unten.

1b-5) Druckstock der Initiale M des menschlichen Alphabets in “Bob Thin”

 Die von Linton gestochene Initiale wurde von Thomas Sibson entworfen, der den ersten Teil des Poems illustrierte.

1b-6) W.J. Linton: Bob-Thin or Poorhouse Fugitive. London 1845

Die gebundene Version, die von Linton in einer limitierten und signierten Edition herausgegeben wurde, enthält sämtliche Teile der vierteiligen Dichtung. Die umfangreiche bildnerische Kommentarebene wurde im künstlerischen Kollektiv von Thomas Sibson, Edward Duncan, William Bell Scott und Linton selbst realisiert.

2a-1) Douglas Jerrold (hrsg.): The Illuminated Magazine. Bd. I. London 1843

Das sozialkritische Magazin wurde von Lintons republikanischem Freundeskreis aus dem Umfeld des satirischen Punch-Magazine betrieben. Der investigative Report über Kinderarbeit unter Tage stammt aus der Feder des exzentrischen Dichters und Abenteurers Richard Hengist Horne, dessen politisch engagierte Theaterstücke vorbildhaft für Linton waren.

2a-2) W.J. Linton (hrsg.): The Illuminated Magazine. New series, Bd. I, London 1845

Linton reduzierte in der Nachfolge von Jerrold als Herausgeber das Format des Illuminated Magazine beträchtlich und verfasste einen Grossteil der Artikel aus Kostengründen selbst.

2a-3) Thomas Spence: Münzen, u. a. “Spence´s Plan / You Fools / Or Starvation forever ” ca. 1790 – 96

Der frühkommunistische englische Jakobiner hatte um die Jahrhundertwende mit Graffitikampagnen und einer Unzahl selbst geprägter Münzen für seinen Plan einer egalitären Bodenreform geworben. Das System selbst verwalteter ländlicher Kommunen, das er angestrebt hatte, inspirierte Jahrzehnte später das Programm der Chartistischen Landreform-Bewegung.

2a-4) Feargus O’Connor: A Practical Work on the Management of Small Farms. Manchester 1843 (6. Auflage, 1847)

Der wegen seiner Gewaltbereitschaft umstrittene Feargus O’Connor war der durchsetzungsfähigste Führer der Chartistenbewegung. Ihm war es gelungen die großen Massen zu mobilisieren. Im Zug seiner Landreformbewegung veröffentlichte er dieses Handbuch, das die Industriearbeiterschaft in praktischer Landwirtschaft unterrichten sollte.

2a-5) W.J. Linton: Bob-Thin or Poorhouse Fugitive. London 1845

Während der erste Teil des illuminierten Poems, Bob-Thin, auf emblematische Weise die urbane Misere abbildet entwickelt der zweite Teil, Poorhouse Fugitive, in naturlyrischen Bildern eine Vision ländlicher Gemeinschaft, die als Unterstützung der Landreformbewegung angelegt war.

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II The Brantwood Years (1849 – 1866)

2b-1) W.J. Linton: The Plaint of Freedom. Newcastle-upon-Tyne, 1852

Linton publizierte diesen umfangreichen Versuch einer antifeudalen republikanischen Geschichtsschreibung in Gedichtform anonym. Gewidmet ist das Werk dem Dichter John Milton, dem ersten Apologeten der Pressefreiheit, der als Propagandist der Puritanischen Revolution den Tyrannenmord verteidigt hatte.

2b-2) W. J. Linton: The English Republic. Every month. Price Six-Pence. London 1850

1849 etablierte Linton in seinem neuen Domizil im Lake District seine erste Autorenpresse. Das basisdemokratische Magazin, das hier beworben wird, sollte der Gründung einer englischen Republik Vorschub leisten, die im Rahmen von Mazzinis Vision einer europäischen Gemeinschaft freier demokratischer Nationen vorgesehen war.

2b-3) W.J. Linton: (hrsg.): The English Republic. Leeds – London – Brantwood. 1850-55

Das teilweise ungeschnittene Exemplar aus Lintons Nachlass ist eines der wenigen vollständigen Ausgaben dieser „umfangreichsten und kühnsten Transposition des europäischen Republikanismus ins Englische.“ (F.B. Smith) Neben Lintons basisdemokratischem Gesellschaftsentwurf, der einen Plan zur Verstaatlichung des Kreditwesens und des Grundbesitzes enthält, finden sich in dem Monatsmagazin Beiträge namhafter Revolutionsexilanten wie Giuseppe Mazzini, Alexander Herzen und Karl Stolzmann.

2b-4) W.J. Linton (hrsg.): The English Republic. Vol. I, Leeds – London, 1850

Linton ging bei seinem Entwurf einer englisch-republikanischen Flagge von einer insularen Modifikation der französischen Trikolore aus. Die Flagge war tatsächlich eine Zeit lang bei republikanischen Veranstaltungen in Verwendung.

2b-5) W.J. Linton (hrsg.): The English Republic. Vol.  III, Brantwood, 1854

Durch befreundete Exilanten wie Karl Stolzman and Stanislas Worcell war Linton bestens über den polnischen Freiheitskampf informiert. Auf der Doppelseite wird der von Metternich angestiftete galizische Bauernaufstand unter Jakub Szela attackiert, der die polnische Oberschicht ausradiert hatte, sowie des radikaldemokratischen Reformers Szymon Konarski gedacht, der 1830 vom zaristischen Regime exekutiert worden war.

2b-6) W.J. Linton (hrsg.): The English Republic. Vol.  III, Brantwood, 1854

Die visionäre Karte eines republikanischen Europa ist das diagrammatische Herzstück der publizistischen Unternehmung. Linton kontrastiert sie in dem begleitenden Beitrag mit den real existierenden Machtverhältnissen eines durch autokratische Allianzen geprägten Europas.

2b-7) Kineton Parkes (hrsg.): William James Linton. The English Republic. London 1891

In der sozialwissenschaftlichen Buchreihe des Verlags Swan Sonnenschein erschien 1891 ein Auswahlband mit Texten aus der English Republic. Herausgegeben wurde er von dem Kunsthistoriker Kineton Parkes, der ein führendes Mitglied der Ruskin-Society war.

3 a) Harriet Martineau: The English Lakes. London – Windermere. 1858

Die sozialinvestigative Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Harriet Martineau , die im Lake District in nächster Nachbarschaft zu Linton wohnte, war eine gute Bekannte aus dem unitarischen Craven Hill- Kreis. Die fünfundvierzig Stiche, die er für ihren pittoresken Reiseführer realisierte zählen mit ihrem verknappten und ausdrucksstarken Lineament zu den besten grafischen Landschaftsdarstellungen der Zeit. Sie trugen nicht unwesentlich dazu bei seinen Ruf als führender künstlerischer Xylograph zu begründen.

3 a – 2) W.J. Linton: Lake Country Sketchbook. June 23 to July 18, 1863

Bei etlichen der Motive, die Linton auf seinen Wanderungen durch die wild romantische Landschaft des Lake District festgehalten hat, handelt es sich um Vorstudien zu einem weiteren pittoresken Reiseführer, den seine Frau, die Schriftstellerin Eliza Lynn, 1864 publiziert hatte.

3a-3) W.J. Linton: The Ferns of the English Lake Country. London 1865

Ein überraschendes Dokument von Lintons botanischen Interessen. Das Buch listet fünfunddreißig Spezies regionaler Farne auf und illustriert sie mit Zeichnungen, die direkt vorm Motiv entstanden sind.

3 a – 4) W.J. Linton: The Flower and the Star and other Stories for Children. Boston 1868

In späteren Publikationen verwendete Linton wiederholt Motive aus dem Lake District wie hier in seiner Sammlung selbstverfasster Kindermärchen und Parabeln. bereits in seinen frühsten Publikationen hatte er sich mit reformpädagogischen Fragestellungen befasst und seine eigenen Kinder unter dem Einfluss von Rousseau und Pestalozzi antiautoritär erzogen.


3a-5) John Ruskin: On the Nature of Gothic Architecture, and herein of the True Functions of the Workman in Art. London 1854

Der Auszug aus dem zweiten Teil aus Stones of Venice, der im Jahr nach der Erstausgabe als preiswerte Arbeiteredition erschienen war, kann als Gründungsakte der Arts & Crafts-Bewegung gelten. Die Einflüsse zwischen Ruskin und Linton waren gegenseitiger Natur.

3b – 1) John Jackson / W.A. Chatto: A Treatise on Wood Engraving. London 1838 (zweite Auflage, 1861)

Linton ist in dieser überarbeiteten Fassung der wegweisenden ersten Geschichte des Holzstichs mit einer Interpretation von William Blakes berühmter Grafik „Death´s Door“ als Frontispiz prominent vertreten.  Auch im angehängten Schlussteil ist er als einer der führenden englischen Holzstecher aufgeführt. Hier findet auch die ganz aktuelle Erfindung der Fotoxylografie durch Thomas Bolton erstmalig Erwähnung.


3b – 2) William James Linton: Specimens of a New Process Of Engraving for Surface-Printing, London 1861

Mit dieser Werbebroschüre, die in einer ungeschnittenen Fassung aus dem Nachlass vorliegt, kündigte Linton im gleichen Moment, als die Fotoxylografie auf der Bildfläche erschienen war, ein von ihm entwickeltes Verfahren für den Abdruck von Linienzeichnungen an, das er Kerographie nannte. Sie sollte dazu beitragen die Holzstecherei aus dem Joch sklavischer Reproduktionsarbeit zu befreien. Die abgebildeten Druckproben entstanden u.a. nach Zeichnungen seines Schülers Walter Crane.


3b – 3) Alexander Gilchrist: Life of William Blake, “Pictor Ignotus” 2 Vol. London 1863

Linton brachte sein neues Druckverfahren, die Kerographie, erstmalig bei der Biographie des noch unbekannten Malerpoeten William Blake zur Anwendung, deren Herausgabe er über die Vermittlung seines Bekannten Dante Gabriel Rossetti bildredaktionell betreute. Dem esoterischen Gehalt von Blakes Dichtungen stand er verständnislos gegenüber. Blakes Grafik entsprach jedoch auf ideale Weise seiner Vorstellung einer ausdrucksstarken republikanischen Kunst

3b- 4) W.J. Linton: Prägestempel mit keltischem Ornament. ca. 1865

Linton prägte damit das Cover seines ersten Gedichtsbands „Claribel and Other Poems“


3b – 5) W.J. Linton: Anzeige für „Claribel and other poems, by W.J. Linton“. o. D.

3b – 6) W.J. Linton: Claribel and Other Poems. London 1865
Für diesen Auswahlband eigener Gedichte aus den letzten fünfundzwanzig Jahren hatte Linton eine große Anzahl von Bildvignetten geschaffen. Inspiriert war er dabei von der Vignettenkunst der Bewick-Schule. Er erweiterte sie allerdings zu einer eigenständigen und höchst subtilen Form von bildnerischer Poesie, die seiner Ansicht über jede Form von bloßem Dekor und „sklavischer Plackerei von Illustration“ erhaben war.


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III The North American Years (1866-1897)

4a- 1) W.J. Linton: Ireland for the Irish. Rhymes and Reasons against Landlordism. With a Preface on Fenianism and Republicanism. New York 1867

Linton hatte diesen Zyklus von fünfzig Gedichten, der gegen den englischen Kolonialismus in Irland und privaten Großgrundbesitz gerichtet war,1849, zur Zeit der großen Hungernot, abgefasst. Es handelt sich um den umfangreichsten Komplex interventionistischer Lyrik vor William Morris und Berthold Brecht. Nach etlichen Abdrucken in Chartistischen Journalen publizierte er ihn unmittelbar nach seinem Umzug nach Nordamerika in Buchform, um sich damit in einen Richtungsstreit der Fenian Brotherhood in New York einzumischen.

4a-2) S.H. Morse & J.B. Marvin (hrsg.): The Radical. The American Magazine of Natural Religion. Subscribers page. Boston / Mass., o. D.
Der Handzettel aus Lintons Nachlass weist auf seine enge Beziehung zu den Bostoner Transzendentalisten – und Abolitionistenkreisen hin. Linton publizierte wiederholte Male in deren Zentralorgan The Radical, das von dem Bildhauer und unitarischen Laienprediger Sidney H. Morse herausgegeben wurde, der ein enger Freund Walt Whitmans war.


4a-3) W.J. Linton: The Religion of Organization. An Essay read to Friends in Boston. New Haven 1869 / 1892

Den Sonderabdruck seiner Rede im The Boston Radical Club im Januar 1869 besorgte Linton selbst auf seiner Autorenpresse in Hamden / Massachusetts. Er zieht darin gegen die korrupten plutokratischen Verhältnisse zu Felde und stellt dem nordamerikanischen Imperialismus seine Vision einer universalen Republik entgegen.


4a- 4) W.J. Linton: A REPUBLIC. The Meaning of the Word. o.D. (ca. 1869)
Der Sonderdruck gibt eine zentrale Passage aus dem Vorwort zu Ireland for the Irish wieder, in der Linton sein Glaubensbekenntnis zu einem überstaatlichen demokratischen Republikanismus formuliert.


4a- 5) W.J. Linton: The House that Tweed built. Cambridge / Mass., Nov. 1871 (broschierte Version)

Lintons Beitrag zur Niederschlagung der Machenschaften des korrupten New Yorker Bürgermeisters William Tweed und seines berüchtigten Tammany Hall Rings bestand in diesem illustrierten Pamphlet. Es war nach dem Modell von William Hones und George Cruikshank’s Political house that Jack built aufgebaut, der verbreitetsten und einflussreichsten radikalen Bildsatire, die 1819 in London erschienen war und unzählige Neuauflagen und Fortführungen erlebte.


4a- 6) W.J. Linton: The House that Tweed built. Cambridge / Mass., Nov. 1871 (gebundene Ausgabe)
Während die Grundstruktur dieses Pamphlets von Hones und Cruikshank’s klassischer Bildsatire bestimmt ist, beziehen sich einzelne Abbildungen auf die enorm populäre grafische Kampagne, die der amerikanische Cartoonist Thomas Nast in der Illustrierten Harper´s Weekly gegen den Tweed – Ring führte.

4b – 1) W.J. Linton aka Abel Reid and A.N. Broome: The American Odyssey. Adventures of Ulysses. exposed, in modest Hudibrastic Measure. Washington, 1876
Linton attackiert in dieser Satire die Politik von US-Präsident Ulysses Grant, dessen Amtszeit
durch eine Reihe von Korruptionsskandalen gekennzeichnet war. In den einzelnen Episoden, die auf Stationen der Odyssee anspielen, thematisiert er unter anderem die Machenschaften der amerikanischen Finanzoligarchie, denen Grant freien Lauf gelassen hatte, und dessen fehlgeschlagene Außenpolitik während des Kuba- Aufstands und Santo Domingo -Affäre.


4b – 2) W.J. Linton aka Abel Reid: Pot-Pourri. New York 1875
Die elf Parodien auf Gedichte des populären Edgar Allan Poe waren gegen eine ästhetizistische Kunst gerichtet, die nach Lintons Ansicht vor allem aus einer Ansammlung von Effekten bestand und keinerlei gesellschaftspolitische Relevanz besaß.

4b – 3) W.J. Linton: England To America 1876 A New -Years Greeting. Cambridge / MA, 1876
Das Gedicht, das Linton 1876 im einflussreichen Century Club in New York aus Anlass einer Feier zum hundertjährigen Bestehen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vorgetragen hatte, thematisiert die enge Verwurzelung der Vereinigten Staaten in der republikanischen Tradition des ehemaligen Mutterlands.

4b – 4) W.J. Linton: Famine: a Masque. New Haven 1875 / ca. 1887

Das Maskenspiel nach dem Vorbild Shelleys wurde in der Zeit der Grossen Depression verfasst, die durch epidemische Arbeitslosigkeit und Nahrungsmittelknappheit in Nordamerika und in Europa gekennzeichnet war. Auf allegorische Weise thematisiert es die Korrelationen zwischen Arbeit, Handel und Hunger, zwischen Überfluss und gesteuerter Verknappung. Linton adaptiert dabei eine Grafik William Blakes bei der es sich um die symbolische Darstellung einer Getreidekrankheit  handelt.

4b – 5) William Cullen Bryant / W. J. Linton: Thanatopsis. New York 1874
Der einflussreiche Verleger William Cullen Bryant hatte das Gedicht, das seinen Ruf als eines der bedeutendsten Lyriker des Transzendalismus begründen sollte, angeblich im Alter von siebzehn Jahren abgefasst. In seinen furiosen Illustrationen griff Linton zum Teil auf Landschaftsskizzen aus dem Lake District zurück, und ließ sich von William Blake, Isaac Taylor, David Scott und William Turner inspirieren.


4b – 6) William Cullen Bryant / W.J. Linton: The Flood of Years. New York 1877
Flood of years war das letzte Werk von Cullen Bryant und erschien in ähnlicher Aufmachung wie Thanatopsis. In Kombination mit letzterem erlebte es unzählige Neuauflagen.

5 a- 1) W.J. Linton aka Hattie Brown: Catoninetales. A domestic epic. Ausgabe Hamden, CT 1877
Das Buch über die Abenteuer des Katers Robin kommt harmlos daher als digressiver Nonsensroman Sterne´scher Manier, mit einer Unzahl von Wortspielen und Einschüben von Kinderreimen, sowie Verballhornungen wissenschaftlicher Traktate. Tatsächlich verbirgt sich hinter dieser Verspieltheit eine verstörende Anklage gegen den epidemischen Rassismus und die Praxis der Lynchjustiz in den Südstaaten in der Ära der Reconstruction.

5a – 2) W.J. Linton: Druckstock für Catoninetales.

5a- 3) W.J. Linton aka Hattie Brown: Catoninetales. A domestic epic. Hamden,  Ausgabe London – New York 1891
Der Titel ist ein Wortspiel, das auf die neun Kapitel des Buchs, die neun Leben des Katers und die neungliedrige Peitsche der Sklavenhalter referiert, die als „Cat o’ nine tails“ bekannt war. Der wissenschaftsparodistische Teil  enthält eine erste kritische Auseinandersetzung Lintons mit der Evolutionstheorie Charles Darwins.

5a – 4) W.J. Linton: Umschlagentwurf für „Wind-Falls.“ (Bleistift, Aquarell). ca. 1875

Die Skizze wurde in derselben Größe und auf demselben grauen Papier ausgeführt wie der gedruckte Umschlag.  Der Entwurf lehnt sich an die Gestaltung des Covers von Famine an, das nach Ansicht von Lintons Biograf Francis B. Smith ein erstes Beispiel von Jugendstil-Gestaltung darstellt.

5a – 5) W.J. Linton: Wind-Falls, Two Hundred And Odd. Hamden /CT, ca. 1876
Linton hatte diese Kompilation Aphorismen von kurzen inneren Monologen in seinem Vorwort als eine Zusammenstellung von Zitaten aus verschiedenen historischen Dramen angekündigt. Tatsächlich stammen sie alle aus der eigenen Feder. Einige enthalten private biographische Bezüge, etliche transportieren politische Statements, unter anderem zum Genozid an den nordamerikanischen Ureinwohnern.

5a – 6) W.J. Linton: Voices of the Dead. Charlotte Corday and Marat. Mazzini and the Countess Ossoli. Delescluze on the Barricade. Hamden /C, 1879
Linton greift in diesem von Walter Savage Landors Imaginary Conversations inspirierten Dialogstück eines seiner zentralen Themen auf, die Konstruktion von Geschichte. Es sind hier die Stimmen verstorbener Republikaner die sich gegen die Verfälschungen der Ereignisse der zweiten Römischen Republik und der Pariser Kommune durch die konservative Presse zur Wehr setzten.

5a – 7) W.J. Linton: Cetewayo and Dean Stanley. Hamden / CT 1880
Auch dieses komplexe antikoloniale Lehrstück, das ein bizarres Ereignis im Verlauf des Zulukriegs zum Gegenstand hat, dreht sich um die Konstruktion von Geschichte, die am Beispiel des imperialen Denkmalkults ausgelegt wird. Kritisiert wird auch die Rolle der Staatskirche als ideologischer Motor kolonialer Unterdrückung.

5a – 8) W.J. Linton aka A.W. of the Middle Temple, Gent: Heart Easings. Gent. (1595). reprinted liberatim from a copy, supposed unique, in the British Museum, 1824, Hamden / CT 1882
Das wiederentdeckte Gedicht aus dem sechzehnten Jahrhundert, das in einer angeblichen Publikation des Britisches Museums von 1824 vorliegt, war ein weiterer Fake aus Lintons Feder, den er auf seiner Appledore Presse in Hamden gedruckt hatte. Mit der Veröffentlichung, die er in geringer Auflage in den Kreisen seiner akademischen Kollegen zirkulieren ließ, wollte der ungelernte Literaturforscher vermutlich deren fachliche Kompetenz auf die Probe stellen.

5 b – 1) W.J. Linton (hrsg.): Golden Apples of Hesperus (Poems not in the Collections), New Haven 1882

Bei dieser von Linton herausgegebenen und bebilderten Sammlung von kaum bekannten Dichtungen aus der Elisabethanischen Zeit handelte es sich nicht um Fälschungen, sondern um den Auftakt zu einem umfangreichen editorischen Projekt, in dessen Verlauf er zusammen mit dem Literaturkritiker R. H. Stoddard in den kommenden Jahren fünf Bände englischsprachiger Dichtung veröffentlichen sollte.

5 b – 2) W.J. Linton: To The Future / The Dirge Of The Nations. 1848 / 1849. Hamden / CT ca.1895
Das sechzehnseitige Pamphlet vereint zwei frühe politische Hymnen Lintons, die zu seinen populärsten Arbeiten zählen. To The Future spiegelt die utopischen Erwartungen, die mit der 48er Revolution verbunden waren, The Dirge Of The Nations die Enttäuschungen angesichts des europaweiten Siegs der restaurativen Kräfte. Der Nachdruck auf der eigenen Presse ist mit Vignetten aus der Claribel-Veröffentlichung versehen.


5b – 3) W. J. Linton (hrsg.): Poetry of America. Selections from One Hundred Poets from 1776 to 1876. With an introductory Review of Colonial Poetry and some Specimens of Negro Melody. London 1887

Mit der Herausgabe dieser Anthologie nordamerikanischer Poesie gelang es Linton, seine postkolonialen Ansichten auch auf den Bereich der Kulturgeschichte anzuwenden. Die Sammlung endet nicht etwa mit Gedichten des befreundeten Walt Whitman, sondern mit den Songs afroamerikanischer Sklaven, in deren „rohen und ungeformten“ Art er zukunftsperspektivisch die „wahre Quelle poetischer Inspiration“ ausmachte.


5b- 4) W.J. Linton: Love-Lore and other, early and late Poems, New Haven / CT 1895

Die Publikation, die mit Vignetten aus dem Claribel – Bestand illustriert ist, fasst drei späte Gedichtzylen Lintons zusammen. Darunter befindet sich auch In Dispraise of a Woman, das
ein ebenso brillantes wie außergewöhnliches literarisches Experiment zur Relativität von Überlieferung vorstellt. Es besteht aus dreißig Übersetzungsvariationen Lintons, die ein einziges Kurzgedicht des römischen Dichters Catull zum Gegenstand haben.

5b – 5) W.J. Linton: Darwiniads Selected. Hamden / CT 1892

Linton setzte sich im letzten Lebensjahrzehnt zum wiederholten Male mit dem Darwin´schen Evolutionsimus auseinander, dessen Thesen er als widersprüchlich und haltlos empfand und dessen ideologische Auslegung im sozialen Bereich ihm unheilvoll erschien.


5b – 6) W.J. Linton: Times and Seasons. Hamden / CT 1894

Der ungekünstelte Charme der späten Booklets aus der Appledore-Reihe hat die Publikationen von Ian Hamilton Finlays Wild Hawthorne – Presse inspiriert.

5b – 7) W.J. Linton: Ultima Verba. Hamden 1895
Die Meditationen im Angesicht des Todes enthalten einige entwaffnende Selbsteinsichten.



6 – 1) W.J. Linton: Set mit Lintons Stecherwerkzeugen in originaler Verpackung


6 – 2) W.J. Linton: Wood- Engraving. A Manual of Instruction, New Haven, 1884

Linton trat in diesem Lehrbuch für Xylographie für eine expressive Verwendung des Stichels und einen Vorrang der Liniengravur ein. Die neue Methode impressionistisch aufgelöster Fotoxylographie lehnte er als eine unschöpferische und sklavische Tätigkeit ab.


6 – 3) W.J. Linton:  Some practical Hints on Wood Engraving, Boston 1879

Nachdem er wenige Monate zuvor eine Gruppe junger amerikanischer Fotoxylografen, die als New School of Wood Engraving Furore machten, in einem Zeitungsbeitrag heftig attackiert hatte, sah Linton sich von Seiten der amerikanischen Presse einer Front massiver Kritik ausgesetzt. Bei der Publikation, die wie ein xylografisches Lehrbuch daher kommt, handelt es sich um eine mit Polemiken gespickte Verteidigungsschrift.

6 – 4) William Abercrombie: A Scrapbook on Wood Engraving. Ashton upon Mersey, 1880 – 1899
William Abercrombie, ein Banker und Förderer praeraffaelitischer Kunst, hat in diesem Einklebealbum den umfangreichen Disput zwischen Linton und der fotoxylografischen New School dokumentiert und die Presseausschnitte von William H. Hooper, dem Xylographen von William Morris´ Kelmscott Press, kommentieren lassen. Lintons Angriff auf die sklavische Fotoxylografie war auch ein versteckter Angriff auf den verlogenen historischen Purismus der Morris-Presse, die genau mit dieser automatisierten Reproduktionsmethode gearbeitet hatte.


6 – 5) W.J. Linton: The History of Wood Engraving in America, Boston, 1882

Während des erbitterten medialen Disputs über die Ausrichtung der Reproduktionsgrafik zu Zeiten fotografischer Vervielfältigungsmöglichkeiten nutzte Linton sein Ansehen als einer der  wichtigsten Exponenten der künstlerischer Xylographie und brachte sich mit diesem Überblick über die Tradition des amerikanischen Holzstichs als Historiker des Mediums in Stellung. Auch hier waren seine Auslassungen zu den Arbeiten der New School nicht frei von Polemiken.

6 – 6) W.J. Linton: The Masters of Wood Engraving, Hamden / London, 1889

Linton hatte den Prototyp für diesen luxuriösen Großfolioband, der ihm enorme Reputation als Grafikhistoriker und Pionier der Arts and Crafts Bewegung einbrachte, selbst gestaltet, gesetzt und gedruckt. Nie zuvor war das als inferior geächtete Reproduktionshandwerk derart prächtig dargestellt und publizistisch damit auf den Stand repräsentativer Hochkunst versetzt worden. In dieser Kunstgeschichte von unten wurde nicht etwa ein Albrecht Dürer ins Rampenlicht gestellt, sondern dessen selbstbewusster Formschneider Hieronymus Andreae.

Die Online-Publikationsreihe “Graphismus” des Melton Prior Insituts wird gefördert von der Stiftung Kunstfonds.

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